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| Benutzer: Fremder (unbekannt) | |
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| | | Weiß jemand den genauen Bezug des Mohrenkönigs zum Atta Troll? Ich habe auch Heines Haltung Freiligraths gegenüber nicht genau verstanden. Es wäre schön, wenn jemand Ideen dazu hätte... Gruß, Maja | | | | | | Hallo Maja, es geht um Heinrich Heines Haltung gegenüber Freiligrath. Er hat sich im Vorwort von Atta Troll dazu geäußert. Ich zitiere mal folgende Stelle:
Bedarf es einer besonderen Verwahrung, daß die Parodie eines Freiligrathschen Gedichtes, welche aus dem »Atta Troll« manchmal mutwillig hervorkichert und gleichsam seine komische Unterlage bildet, keineswegs eine Mißwürdigung des Dichters bezweckt?
Den genauen Bezug des Mohrenkönigs zum Atta Troll kenne ich noch nicht. Das hat unter anderem mit der Länge des letztgenannten Gedichtes zu tun.
Der Mohrenkönig von Heinrich Heine hat seine letzte Schlacht verloren, aber : Nimmer wird sein Ruhm verhallen, Ehe nicht die letzte Saite Schnarrend losspringt von der letzten Andalusischen Gitarre
Gruß Gylman
| | | | | | | | Hallo Gylman, ich habe noch nicht verstanden, warum Heine ausgerechnet den Mohrenfürsten für ein Epos gegen die Tendenzpoesie benutzt. Zwar war Freiligrath ein Tendenzpoet, aber noch nicht zur Zeit des Mohrenfürsten. Das er nicht unbedingt gegen Freiligrath schreibt, ist mir schon klar, aber die Auswahl dieses Gedichts als Bezugspunkt und Motto verstehe ich nicht. Ich denke, die von dir zitierte Strophe bezieht sich auf die letzte Strophe des Mohrenfürsten und parodiert diese. Die genaue Haltung Heines wird mir auch nicht ganz klar: Einerseits gehörte Freiligrath doch zu den Tendenzpoeten, gegen die Heine schreiben will, aber wirklich GEGEN Freiligrath ist der Atta Troll ja nicht geschrieben. Das zeigt ja auch die von dir zitierte Passage.
| | | | | | | | | | Hallo Maja, hallo Gylman,
ich finde ganz treffend, was Gerhard Höhn im Heine-Handbuch (1997, S. 72 f.) zu dem Problem schreibt: "Aber an zwei Paten, an zwei Vormärzdichtern, deren Züge das Porträt Trolls, des Künstlers, parodistisch abrunden, besteht kein Zweifel: Freiligrath in erster Linie und Herwegh werden stellvertretend für ihre Zunft geprügelt. Die Parodie des Dichters der »Wüsten- und Löwenpoesie«, der mit seiner 1838 erschienenen Sammlung Gedichte allerdings noch keineswegs zur fortschrittlichen Opposition gehörte, zieht sich durch das ganze Epos. Als Motto des Troll dient die 5. Strophe des berühmten Gedichtes Der Mohrenfürst, das auf Heine, wie er 1846 zugibt, bei der Entstehung seines Epos durch seine unfreiwillige Komik so »belustigend« gewirkt hat (B 7, 496; Text: DHA 4, 375 f.). Freiligrath, der die Verletzung der Menschenrechte anklagen wollte, hatte als Beispiel ausgerechnet einen Mohrenfürsten, d.h. einen absoluten Herrscher gewählt, der eine mit Schädeln behangene Trommel schlägt. Belustigend wirkte ferner der ästhetische Mißgriff, der in dem komischen Schwarzweiß-Kontrast des Gedichtes besteht. Die unstimmige Farbigkeit verspottet der Anfang von Caput IX und vor allem Caput XXVI: Dort tritt der Mohrenfürst als Wärter im Jardin des Plantes auf, der sich mit einer »Blonden Köchin« vermählt und sich ein Bäuchlein angemästet hat, welches aus dem Hemd hervorschaut, »wie'n schwarzer Mond, / Der aus weißen Wolken tritt«; und im Bärenkäfig findet sich die schwarze Mumma wieder, die es jetzt mit einem weißen Wüstenbär treibt. Dieser Schluß steht außerdem in grellem Kontrast zum Pathos des Mottos (zur Parodie s. Woesler 1978, 300 ff., außerdem 341 ff. und DHA 4, 374 ff.). Als zweiter Dichter bekommt Herwegh sein Fett ab: Der Anfang von Caput XXI parodiert den Schluß des nationalen Sendungsgedichtes von 1841, Die deutsche Flotte. - Freiligraths spätere Entwicklung zum radikalen Dichter hat Heine eine Rehabilitierung abverlangt, erklärt er doch in der Vorrede 1846, er zähle ihn »zu den bedeutendsten Dichtern, die seit der Juliusrevolution in Deutschland aufgetreten sind«."
Von daher hast du, Maja, sicher recht, wenn du sagst, der Atta Troll sei nicht "gegen" Freiligrath geschrieben. So ein kleines literaturkritisches Schlachtfest hätte Heine auch mit weniger Aufwand inszenieren können, und Freiligrath und die Tendenzpoesie sind da nur ein Thema unter anderen. Im übrigen liegt ja die inhaltliche Parallele auch einfach nahe: Auch der Mohrenfürst in dem Gedicht von Freiligrath landet ja sozusagen im Zoo und wird ausgestellt, wie der Tanzbär.
Was ich übrigens schwierig finde, Gylman, ist die Brücke, die du vom "Mohrenfürst" zum Gedicht "Der Mohrenkönig" aus dem "Romanzero" schlägst, indem du dessen letzte Strophe zitierst. Ich glaube nicht, daß beide zusammengehören, geht es doch bei Freiligrath und in der Parodie im "Atta Troll" um den Mohrenfürsten im Sinne von Mohr = Schwarzafrikaner, so ist in dem "Romanzero"-Gedicht der Mohr als Maure, also Bewohner des islamischen Spanien gemeint. Und die Mauren tauchen ja seit der "Almansor"-Tragödie immer als Chiffre für edle, um ihrer Religion und Rasse verfolgte Angehörige einer eigentlich überlegenen, sinnenfrohen und kulturell reichen Zivilisation auf (manchmal auch stellvertretend für christlich-jüdische Konflikte).
Spannend wäre aber mal zu schauen, wie es sonst so mit der Verwendung von "Mohr" bei Heine aussieht!?
Grüße euch beiden! Robert | | | | | | | | | | | | Hallo Robert, Dass Heine im Atta Troll nicht eine einzelne Person oder politische Richtung angreift, ist klar. Der Bär ist ein Kompositum an (für Heine) Kritikwürdigem und wird deshalb am Ende auch erlegt. Aber warum "kichert" der Mohrenfürst daraus hervor, wie Heine es ausdrückte? Gruß, Maja | | | | | | | | | | | | | | Hallo Maja, ich denke, mit der Rede von dem Aus-dem-Atta-Troll-Hervorkichern des Freiligrathschen Mohrenfürsten versucht Heine lediglich, seine Freiligrath-Parodie auf eine humoristisch-harmlose Ebene zu heben (oder vielleicht besser: zu senken). Wenn ich mich recht entsinne, ist das Vorwort ja erst zur Einzelausgabe von 1847 entstanden, d.h. zu einer Zeit, als Heine sich selbst ja noch einmal für eine Weile deutlich "politischer" verortete (vom "Wintermärchen" bis zu allerlei "Zeitgedichten", die teils schon in den "Neuen Gedichten", teils erst 1851 im "Romanzero" erscheinen; vgl. aber auch z.B. das Vorwort zu Alexander Weills Novellen aus diesem Jahr)- und die Radikalisierung Freiligraths ja auch positiver beurteilte. Die Freiligrath-Kritik, die in der "Mohrenfürsten"-Parodie liegt, wird ja deutlich zurückgenommen, wenn man sie nur zu einem harmlosen literarischen Scherz herunterspielt. Grundsätzlich (und nicht nur bei Heine) ist es ja ohnehin problematisch, wenn Autoren ihre Texte im Nachhinein kommentieren - und gerade Heine war in dieser Hinsicht mit seinen Vorworten ja ausgesprochen aktiv. Ähnlich deutet er ja im Vorwort zur dritten Auflage der "Neuen Gedichte" (1852) den "William Ratcliff" von einer Schicksalstragödie zu einem politischen Kampfstück um, weil ihm das - fast dreißig Jahre nach der Erstveröffentlichung - jetzt so in den Kram paßte... Aber, ehrlich gesagt, gehört das zu den Sachen, die mir Heine so sympathisch machen: Irgendwie sagt er irgendwo und irgendwann fast immer etwas, was andere Aussagen bricht oder konterkariert - und dann fängt das genaue Lesen und Interpretieren ja erst an. Viele Grüße Robert | | | | | | | | | | | | | | | | Hallo Robert, Du hast recht! Vielen Dank, dass Du mich auf diesen Aspekt aufmerksam gemacht hast. Jetzt sehe ich doch einiges klarer. Heine hat die Zeitungsausgabe des Atta Troll ja selbst als "humoristisches Epos" zum Schmunzeln bezeichnet. Dass er in der Zeit kurz vor der Revolution anders darüber schreibt, ist verständlich. Obwohl ich mich manchmal frage, ob er das immer aus Überzeugung oder auch aus Profitgründen getan hat. Jedenfalls hat Du mich ein ordentliches Stück weitergebracht. Danke! Maja
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