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 Heine-Forum
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Hallo. Ich hätte eine Frage zu Heine Heinrich´s: Deutschland. Ein Wintermaerchen. Könnte mir jemand helfen?


In Caput XVI kritisiert er den Kaiser. Aber was genau kritisiert er an ihm? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist damit gemeint, dass er allgemein kritisiert wie sich die Klassen von einander unterscheiden. Dass der Kaiser im Reichtum lebt, und die "normalen Bürger" an Hungersnot leiden? Es ist ja auch die Zeit in der Karl Marx den Kapitalismus darstellt. Waren Marx und Heine derselben Meinung?
Und was bedeutet "Guillotinieren" (Caput XVI)?

Dann sagt er noch, dass sich keiner traut dies dem Kaiser zu sagen.
Caput XVII
"Nur träumend, im idealen Traum,..."
Was ist mit dem idealen Traum gemeint?

Doch im übernächsten Vers entschuldigt er sich wieder.
"Vergib mir, mein teurer Kaiser!" Ist das ironisch gemeint oder ist Heine sich selber seiner Meinung unschlüssig, hinundher gerissen?

Ich würde mich sehr freuen, wenn mir jemand helfen könnte. Vielen Dank
gruß Nadine  
Hallo Nadine,
"Guillotinieren" heißt, genau wie der Erzähler es dem Kaiser erklärt, mit der Guillotine, dem Fallbeil, geköpft zu werden.
Was Heine in den Kaiser-Caputs kritisiert, ist die Obrigkeitshörigkeit und politische Unentschlossenheit seiner deutschen Zeitgenossen: Noch die Revolution würden sie am liebsten von einem Vertreter der alten Ordnung, einem Kaiser, durchführen lassen, und statt wirklich zu handlen, träumen sie von mittelalterlichen Sagen wie der von der Rückkehr Friedrich Barbarossas.
"Vergib mir mein teurer Kaiser": das ist, da hast du recht, durch und durch ironisch - genau wie die Aussage, nur im Traum traue sich der Deutsche, grob zu seinen Herren zu sein. Der "ideale Traum" ist dann der, der sich nur im Reich der Ideen, also jenseits der politischen Wirklichkeit abspielt - vgl. den Deutschen Idealismus als philosophische Strömung der Zeit, die - zumindest in Heines Verständnis - jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren hatte.
Dass der Kaiser reich ist, ist, denke ich, nebensächlich. Wichtig ist, dass er zögert (er wartet auf immer mehr Pferde und Waffen) und dass er das Relikt einer erledigten Zeit ist: Nicht ein Kaiser sollte die Revolution anzetteln, sondern die unzufriedenen Menschen selbst.
Zu Marx: Klar, die beiden hatten gerade zur Zeit des Wintermärchens miteinander zu tun, aber so eine klare Analyse der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wie bei Marx findet sich bei Heine natürlich nicht. In der Sache, dass nämlich ein Umsturz nötig sei, waren sie sich aber, zumindest in diesen Jahren, durchaus einig.

Viele Grüße
Robert
Vielen Dank für Ihre Hilfe.

Ich hätte da doch noch eine Frage. Im Caput XXVI lässt die Göttin Hammonias Heinrich Heine von dem deutschen Zukunftsduft riechen. Wie ist das gemeint? Und was hat er in der Ründung gesehen? Also ich finde Heinrichs Heine Verssatire ziehmlich schwer zu verstehen. Da ich die Hintergründe der Epoche nicht genau kenne. Aber ich hoffe sie können mir noch einmal helfen, was Sie bereits getan haben. Vielen Dank nochmal
Grüße von Nadine
 Deutschlands Zukunft im Nachttopf 15.10.2004 (11:21) Robert
Hallo Nadine,
wohinein die Göttin Hammonia den Ich-Erzähler des Wintermärchens schauen lässt, ist - ein Nachttopf. Oder genauer: ein Nachtstuhl. So ein Möbelstück, nämlich einen Sessel, bei dem man einen Deckel/ein Kissen abheben kann und dann dort den Nachttopf hat, kennst Du vielleicht noch aus Krankenhäusern. Früher gehörten die durchaus (in Zeiten vor einem Wasserklo in jeder Wohnung zur Ausstattung eines Schlafzimmers. Deutschlands Zukunft ist also, deutlich gesagt, Scheiße. Sehr schön gemacht ist ja, dass der Erzähler versprochen hat, nicht zu sagen, was er in der Ründung (des Nachttopfs) gesehen hat - und darum mitteilen kann, was er riecht. Dass es der Mist aus 36 (Jauche-)Gruben ist, verweist auf die 36 Königreiche und Fürstentümer, aus denen der damalige Deutsche Bund bestand.
Und dass es hier, am Ende des Wintermärchens, die Körperausscheidungen sind, von denen die Rede ist, wirft ein, finde ich, ganz interessantes Licht darauf, dass bis dahin im Wintermärchen ständig vom Essen die Rede ist. Und immerhin hat der Blick in die beschissene Zukunft ja nicht das letzte Wort, sondern am Ende betont der Dichter ja noch seine Macht selbst über Könige - und verkündet ein "Neues Geschlecht", also eine Generation von Menschen, die alles besser und endlich eine Revolution machen wird.

Wenn Du Dich übrigens etwas über den historischen Kontext informieren willst, schau doch mal hier:
http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/geschichte/1848/index.htm

http://www.dhm.de/ausstellungen/bildzeug/20.html (wenn Du dort auf den Raumplan oben rechts klickst, kannst Du Dich durch die ganze Ausstellung des Deutschen Historischen Museums bewegen und hast einen Schnelldurchgang durch die deutsche Geschichte!)

http://www.lsg.musin.de/Geschichte/lkg/phil_wurzeln_rev48.htm

Viel Spaß beim Nachlesen und Weiterdenken!
Robert
 Re: Deutschlands Zukunft im Nachttopf 16.10.2004 (17:40) Nadine
Vielen, vielen Dank für die umfangreiche Information.
Gruß Nadine

Dies ist ein Beitrag aus dem Forum "Heinrich-Heine-Forum". Die Überschrift des Forums ist "Heine-Forum".
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