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| Benutzer: Fremder (unbekannt) | |
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| | | An was starb Heine? Multiple Sklerose, Syphilis, Tuberkulose?
Wer die Antwort weiß, muss sie auch gut begründen können? | | | | | | Hallo Pierre, gute Frage, aber besser muss sie lauten: An welcher Erkrankung litt Heine? ;-) Zuletzt hatte Heine erhebliche Brechanfälle, aber ob allein das Erbrechen seinen Tod verursachte muss offen bleiben. Erbrechen kann auch nur ein Symptom einer schweren Erkrankung sein (oder auch Nebenwirkung einer Behandlung). Aber zum vermutlichen Ziel Deiner Frage: Heine könnte an einer MS oder einer Nuerolues gelitten haben - die, von Henner Montanus favorisierte, Tuberkulose halte ich - offen gesagt - für Schwachsinn. Diese Diagnose resultierte wohl daraus, dass Montanus einfach keine klinische, und erst recht keine neurologische Erfahrung hatte, als er seine Doktorarbeit schrieb. Ich will nicht ausschließen, dass Heine auch an einer Tb gelitten haben könnte, aber diese Erkrankung erklärt nicht seinen Krankheitsverlauf. Alle Symptome Heines langjähriger Krankheit und der daraus resultierenden Matratzengruft lassen sich problemlos mit der MS oder auch der Neurolues erklären. Willst Du wirklich die genauen Fakten dazu wissen? Ich hatte da mal was vorbereitet, das ich in meine HP einbauen wollte - ist aber dann bei mir in Vergessenheit geraten. Gruß Wolfgang Heinrich Heine - Leben, Leiden, Werk und Hintergrund | | | | | | | | Hallo Wolfgang, Du hast was dazu zusammengestellt? Da die Frage ja vor und nach Henner Montanus breit diskutiert wurde, würde mich das auch sehr interessieren - übrigens vielleicht auch ganz spannend für die Leser der einschlägigen Publikationen, Heine-Jahrbuch vor allem? Neugierig grüßt Robert | | | | | | | | | | Hi, ich hatte zumindest mal was zum Spontanverlauf (=unbehandelter Krankheitsverlauf) der möglichen Diagnosen vorbereitet. Auf die Tuberkulose bin ich dabei jedoch nicht eingegangen, da ich zum damaligen Zeitpunkt das Buch von Montanus noch nicht gelesen hatte. Auch habe ich die einschlägige Literatur zum Thema noch nicht durchforstet. Spontan fällt mir aber noch ein, dass ich vor Monaten einen Artikel von einem Prof. Tölle (?) in einem Jahrbuch gelesen hatte, der eine ähnliche Auffassung vertreten hatte, wie ich. Was ich also vorbereitet hatte, ist im wesentlichen das: NeuroluesEtwa 5 - 10% der Menschen, die sich eine Luesinfektion (= Syphilis) zuziehen, entwickeln eine Neurolues. Sie kann in 3 klassischen Krankheitsbildern verlaufen, die 4 - 20 Jahre nach Infektion beginnen: - Lues cerebrospinalis kann durch Schlaganfälle mit verschiedensten Symptomen zu zunehmender Behinderung führen. Störungen der Augenbeweglichkeit sind häufig, auch Sehstörungen und Lähmungen der Gliedmaßen; epileptische Anfälle sind möglich. Im Verlauf ist häufig ein geistiger Verfall zu beobachten. - Tabes dorsalis führt schleichend zu zunehmender körperlicher Behinderung. Dabei können Koordinationsstörungen, Lähmungen, Gefühlsstörungen (u. a. heftigste, einschießende Schmerzen, die an der Haut, aber auch an inneren Organen empfunden werden) und Störung der Blasen- und Mastdarmfunktion auftreten, auch Schädigung des Sehnerven mit zunehmender Sehverschlechterung. Es treten Veränderungen an Gelenken (mit zum Teil starker Deformierung) und Haut auf. - Progressive Paralyse, es kommt dabei zu einer chronisch fortschreitenden Verschlechterung der intellektuellen Fähigkeiten, was zu erheblichen psychischen Auffälligkeiten führt am Ende dazu, daß der Erkrankte nicht mehr zu sinnvollem Handeln fähig ist. Die neurologischen und psychischen Auffälligkeiten sind so variabel, daß die Neurolues bei den meisten neurologischen und psychischen Erkrankungen mit erwogen werden muß. Erkrankte sterben an Komplikationen der Behinderungen (fehlende Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, Lungenentzündung, Harnwegsinfekte oder bakterielle Infektionen von Druckgeschwüren). Erst seit Entdeckung der Antibiotika ist die Erkrankung zu verhindern bzw. zu stoppen. Multiple SkleroseDie Multiple Sklerose ist eine Erkrankung von Gehirn und Rückenmark, die zumindest zu Beginn überwiegend schubweise verläuft. Es treten also Störungen auf, die mehr oder weniger wieder verschwinden. Dabei kann es sich um Sehstörungen handeln (> 60% der Erkrankten) oder Lähmungen (um 85%) oder Gefühlsstörungen (um 85% - Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Schmerzen) ... Schmerzen können auch durch Verkrampfungen der Muskulatur (Spastik) bedingt sein. Im Verlauf der Erkrankung haben auch viele Erkrankte (um 60%) eine Störung der Blasen- und Mastdarmfunktion. Nach einem Schub ist es möglich, daß keine Beschwerden mehr bestehen, aber auch das Verbleiben einer stärkeren Behinderung - bei etwa 50% der Erkrankten bessert sich ein Schub innerhalb von etwa 8 Wochen ohne spezifische Therapie. Ein schubweiser Verlauf kann in einen chronisch voranschreitenden Verlauf übergehen. Bei schwerer Behinderung können Komplikationen wie bei der Neurolues zum Tod führen. Am häufigsten tritt die Erkrankung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf.
Ich hatte auch noch was zur ALS, die ja auch mal genannt wurde, lasse das aber hier mal weg. Gruß Wolfgang Heinrich Heine - Leben, Leiden, Werk und Hintergrund | | | | | | | | | | | | Hallo Wolfgang, für mich als Laien war es spannend, mal die Symptome der beiden möglichen Krankheiten aufgelistet zu sehen - aber wirklich interessant ist die Frage, was Du aus Deiner Kenntnis Heines (vor allem ja wohl seiner Briefe und der Berichte von Besuchern)favoritisierst. Die Lues-These hat ja vor allem darunter gelitten, dass sie lange als Argument gegen Heine und seine moralische (und letztlich auch ästhetische) Integrität benutzt wurde. Aber wahrscheinlich ein so weites Feld, dass ich Dich zu keiner Spekulation verleiten kann? fragt (und grüßt) Robert | | | | | | | | | | | | | | Hallo Robert, ganz schön hartnäckig ;-) Hier also etwas ungeordnet meine Gedanken dazu: Ich halte beide Möglichkeiten für gleichwertig. Weder die Neurolues noch die MS waren damals als Erkrankungen bekannt. Man wußte nicht, wie die Symptome zusammmenpassen, so konnte also von Heines behandelnden Ärzten niemand eine Diagnose stellen. Die sogenannten Irrenhäuser dieser Zeit waren voll von Patienten, die an einem vorzeitigen geistigen Verfall litten - in der Mehrzahl der Fälle handelte es sich dabei um eine Progressive Paralyse - eine mögliche Spätfolge der Syphilis. Krankheitsverläufe, bei denen die geistigen Kräfte erhalten blieben waren natürlich eher nicht in den Irrenhäusern anzutreffen. Die Erkrankung war in allen gesellschaftlichen Schichten weit verbreitet. Es ist nicht eindeutig zu belegen, dass Heine sich als junger Mann infiziert hatte, aber es ist eben auch nicht auszuschließen. Da sollte nicht moralisiert werden. Moralische Vorstellungen sind wandelbar, auch AIDS wird ja heute noch von gewissen Kreisen als Strafe Gottes für einen verderblichen Lebenswandel angesehen ... Dass dem Juden Heine aus der möglichen Geschlechtskrankheit natürlich ein Strick gedreht wurde und dass Heine-Freunde ihn davor schützen wollten/wollen ist nicht weiter verwunderlich. Übrigens, die Krankheit kommt zurück (Kondome schützen): 2002 wurden in Deutschland laut Robert-Koch-Institut 2523 Fälle von Syphilis registriert, 800 mehr als im Jahr 2001. Aktuellere Zahlen habe ich leider noch nicht gefunden. Jean-Martin Charcot lieferte 1867 die Erstbeschreibung der Multiplen Sklerose - auch bei der MS gilt, dass man vorher die Krankheitssymptome gar nicht zu einer Diagnose zusammenfassen konnte. Um diese beiden Erkrankungen auseinanderzuhalten, hätte man Heine oder seine Organe (besonders Gehirn und Rückenmark) mit Methoden untersuchen müssen, die erst wesentlich später zur Verfügung standen. Es wird also nicht möglich sein, eine Lösung der Frage zu erreichen. Auf das Thema Bleivergiftung werde ich wohl auch noch irgendwann eingehen müssen ... ;-) Gruß Wolfgang Heinrich Heine - Leben, Leiden, Werk und Hintergrund | | | | | | | | | | | | | | | | Hallo Wolfgang, schade, daß Du Dich nicht zu einer eindeutigen Diagnose hinreißen läßt. ;-)
Schönster Beleg für die Syphilis-These ist doch, wenn ich mich recht entsinne, ein Brief des Göttinger Studenten Heine, der damit prahlt, etwas mit einer als syphilitisch bekannten Köchin zu haben. Aber da wäre ja immer noch die Frage, ob da nicht der junge Mann einfach ein bißchen dick aufträgt.
Zur Bleivergiftung: Damit hat Heine es doch 1997 immerhin in die Boulevard-Presse geschaftt, die sofort einen Mord gesehen hat. Würden denn, wenn man die absurde Mordtheorie mal ausschließt, die Bleivergiftungssymptome passen? Das scheint ja im 19. Jahrhundert nicht selten gewesen zu sein. Ich erinnere mich, daß der Arzt und Schriftsteller Ernst Penzoldt (so ziemlich ein Zeitgenosse Hermann Hesses) mal irgendwo geschrieben hat, daß er die Berichte vom Tod seines Großvaters als Zeugnisse einer Bleivergiftung deute - und als Ursache die bleihaltige Folie vermutet, in der der Großvater seinen Schnupftabak kaufte und verwahrte. Reicht so etwas schon für die tödliche Vergiftung?
Du siehtst: der medizinische Laie ist neugierig geworden ... ;-)
Herzlich grüßt Robert | |
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