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 "Phospordünste der Glaubenspisse" 04.03.2010 (16:54) Robert Steegers
Lieber Herr Schönfeld,

fragen wir doch Heine selbst.

Aus einem Brief an seinen Verleger Campe vom 1. Juni 1850 (HSA XXIII, S. 43):

"...denn wie nahe ich auch der Gottheit gekommen, so steht mir doch der Himmel noch ziemlich fern; glauben Sie nicht den umlaufenden Gerüchten, als sey ich ein frommes Lämmlein geworden. Die religiöse Umwälzung, die in mir sich ereignete, ist eine bloß geistige, mehr ein Akt meines Denkens als des seligen Empfindelns, und das Krankenbett hat durchaus wenig Antheil daran, wie ich mir fest bewußt bin. Es sind große, erhabne, schauerliche Gedanken über mich gekommen, aber es waren Gedanken, Blitze des Lichtes und nicht die Phosphordünste der Glaubenspisse."

Beschäftigung mit der Religion (und insbesondere mit der jüdischen seines Elternhauses): ja. Rückkehr zum Glauben oder Bekehrung zum christlichen Glauben: eher nicht.

Wenn Sie das Nachwort zum "Romanzero" lesen, werden Sie einräumen, dass dort offensichtlich jemand redet, der sehr genau das Wesen der von Feuerbach (und später von Freud) formulierten Projektionstheorie durchschaut hat - und reflektiert genug ist, dessen Wirkungen an sich selbst zu beobachten. Religion wird hier zum Trostmittel, aber ob Heine tatsächlich glaubt, ist nach seiner hochironischen Selbstbetrachtung höchst fraglich:

"Wenn man nun einen Gott begehrt, der zu helfen vermag -- und das ist doch die Hauptsache -- so muß man auch seine Persönlichkeit, seine Außerweltlichkeit und seine heiligen Attribute, die Allgüte, die Allweisheit, die Allgerechtigkeit u.s.w. annehmen. Die Unsterblichkeit der Seele, unsre Fortdauer nach dem Tode, wird uns alsdann gleichsam mit in den Kauf gegeben, wie der schöne Markknochen, den der Fleischer, wenn er mit seinen Kunden zufrieden ist, ihnen unentgeltlich in den Korb schiebt. Ein solcher schöner Markknochen wird in der französischen Küchensprache la réjouissance genannt, und man kocht damit ganz vorzügliche Kraftbrühen, die für einen armen schmachtenden Kranken sehr stärkend und
labend sind. Daß ich eine solche réjouissance nicht ablehnte und sie mir vielmehr mit Behagen zu Gemüthe führte, wird jeder fühlende Mensch billigen." (DHA III, 179 f.)

Etwas ausführlicher können Sie das hier nachlesen:
http://www.heinrich-heine-denkmal.de/rezeption/steegers.shtml.

Was mich, nebenbei bemerkt, immer wundert, ist der Eifer, mit der mit schöner Regelmäßigkeit versucht wird, Heine für den Glauben oder für das Christentum zu retten. Welchen argumentativen Wert soll das haben? Den Triumph, einen großsprecherischen Gottesleugner doch noch klein bekommen zu haben?

Freundlich grüßt
Robert Steegers


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